1936 wurde in Forstern für ein kleines Wirtschaftswunder der Grundstein gelegt: Der erste Eicher Diesel Traktor wurde gefertigt. Dass dabei ein Garagentor auf dem Weg in die Freiheit im Weg stand, ist nur noch eine kleine Episode in der Geschichte vom Aufstieg und Niedergang der Gebrüder Eicher Traktorenfabrik. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass die Gebrüder Eicher, Josef und Albert, die Entwicklung dieses doch eher verschlafenen, von der Landwirtschaft geprägten Ortes, so entscheidend beeinflussen würden.

Die Gemeinde Forstern, vor allem jedoch die Bürger dieses Ortes, konnten mehrere Jahrzehnte am Vorhandensein eines der größten Arbeitgebers im Landkreis Erding partizipieren. Aber der Reihe nach:

Nachdem 1936 der erste Traktor gefertigt worden war, begann für die Gebrüder Josef und Albert Eicher ein beinahe märchenhafter Aufstieg in das Industriezeitalter. Zunächst stoppte jedoch der 2. Weltkrieg den Siegeszug der Eichertraktoren. Doch schon einige Jahre nach dem Krieg, einhergehend mit dem deutschen Wirtschaftswunder, schnellten die Produktionszahlen sprunghaft in die Höhe. Hier ein paar Daten, die den Aufschwung mehr als verdeutlichen können:

1945 - 1948     300 Schlepper
1949               329 Schlepper, der 1.500ste Schlepper wird ausgeliefert
1950               1.240 Schlepper
1951               der 4.000ste Schlepper wird ausgeliefert
1953               der 20.000ste Schlepper wird ausgeliefert
1991               der 162.000ste Schlepper wird in Deutschland zugelassen

Aus dem kleinen elterlichen Betrieb, der noch landwirtschaftlich geprägt war, entstand in kürzester Zeit ein industrieller Produktionsbetrieb, der im Jahr 1969 ca. 2000 Mitarbeiter beschäftigte. In Forstern entstand neben dem Stammwerk Nord auch im Süden des Ortes ein modernes Produktionswerk mit Bürogebäude, das in den folgenden Jahren weiter ausgebaut wurde. Schon 1951, am 1. Juli wurde in Dingolfing ein für damalige Verhältnisse riesiges Betriebsgelände mit Produktionshallen, Bürogebäude, Gießerei und Holzverarbeitung dazugekauft.

Eichertraktoren waren nicht nur in Deutschland begehrt. In ganz Europa, ja sogar nach Südamerika, in den Orient und bis nach Indien wurden die äußerst robusten und vor allem sehr sparsamen Traktoren exportiert. Indien sollte noch zu einer tragenden Säule in der  Eicher-Geschichte werden. Die 50er Wirtschaftswunderjahre waren auch die fetten Jahre in der Eicher-Firmengeschichte. So konnten die beiden Firmengründer ihren stets gehegten Wunsch, Eicher-Traktoren und Landmaschinen aus einer Hand, verwirklichen. Ein breites Produktangebot ermöglichte dem Landwirt, z.B. für die maschinelle Heuernte alle hierzu erforderlichen Maschinen von Eicher zu beziehen: Angefangen beim Traktor mit Mähwerk bis zum Rekordlader mit angehängtem Ladewagen. So war die „Heukette“ geschlossen. Aber auch die Pflüge der Siegerklasse sollen Erwähnung finden, Erntemaschinen für verschiedene Feldfrüchte, Isaria-Drillmaschinen, Kreiselmäher und Kreiseldüngerstreuer, Miststreuer, Sechsfachwagen. Später kam ein neuartiges Hof- und Stallfahrzeug dazu, der „Eichus“. Der Eicher Geräteträger war für viele Landwirte die „eierlegende Wollmilchsau“, da sein Einsatzgebiet schier grenzenlos schien, konnten doch bis zu drei verschiedene Geräte gleichzeitig an das Trägersystem angebaut werden. Und das mit der Muskelkraft eines einzigen Mannes.

Den goldenen 50ern folgten dann die schwierigen 60er Jahre. In der Landwirtschaft begann eine deutliche Umstrukturierungsphase, deren Ursachen sicher auch in der politischen Ausgestaltung der EWG zu suchen waren. Kleinere Unternehmen, wie die Fa. Eicher, spürten ganz deutlich, dass die Kosten-/ Ertragsschere immer weiter auseinander klaffte. Nur große und finanzkräftige Unternehmen waren in der Lage, schwierige Zeiten zu überstehen, ohne in Turbulenzen zu geraten.

Große Aufmerksamkeit erregte 1964 ein völlig neuartiger Pflugroboter, der „Agrirobot“. Dieser Pflug war in der Lage, vollkommen ohne „Besatzung“ riesige Felder ganz alleine umzupflügen. Leider war damals die finanzielle Situation des Unternehmens so schlecht, dass diese gutgemeinte Idee nicht über die Prototypen hinaus weiterentwickelt werden konnte. Überhaupt: Der Ideenreichtum in diesem Unternehmen kannte anscheinend keine Grenzen. Wäre die Entwicklungsabteilung der Eicherwerke in einem finanzstarken Betrieb angesiedelt gewesen, wäre es durchaus denkbar, dass noch viele gute und nützliche Produkte hätten entwickelt werden können.

Neben dem Standard-Schlepperprogramm sind die Schmalspurschlepper unbedingt zu erwähnen. 1959 wurden die ersten beiden Prototypen in Frankreich auf der Weinbauausstellung in Montpellier vorgestellt. 74 Aufträge waren ein großer Anfangserfolg. Die Entwicklung in immer stärkere und vielseitiger einsetzbare Versionen, Allrad-Antrieb und Kabinenaufbau usw., brachte Eicher auf diesem Spezialgebiet sogar die Marktführerschaft. Die Gemeinde Forstern setzte ca. 15 Jahren lang auch einen Eicher-Schmalspurschlep-per, einen „Puma“, für alle möglichen kommunalen Arbeiten ein. Ausgestattet mit geheizter Fahrerkabine und allen möglichen Zusatzgeräten war er stets ein wertvoller Helfer. Wie viele von den Schmalspurschleppern gebaut wurden, ist dem Autor leider nicht bekannt, es ist bestimmt keine unerhebliche Anzahl.

Ein weiteres wichtiges Standbein für die Firma Eicher war der LKW-Bau. 1961 auf einer USA Reise gewann Josef Eicher richtungsweisende Eindrücke, die 1962 zum Bau des ersten FarmExpress  führten. In den Folgejahren wurde aus dem landwirtschaftlich orientierten Klein-LKW der TransExpress, der für den industriellen Einsatz gefertigt wurde. Eine Kooperation mit Magirus Deutz brachte Eicher den Auftrag zur Lohnfertigung von ca. 25.000 LKW für Magirus. Mit dieser Fertigungsgröße erreichte Eicher rasch die Gewinnschwelle und konnte mit den Erlösen aus dem LKW-Bau andere Löcher schließen. 

Die immer schon dünne Finanzdecke, unter der das Unternehmen zu leiden hatte, war unter anderem auch die Ursache dafür, einen finanzstarken Partner zu suchen. Massey-Ferguson bot sich als Kooperationspartner an und 1970 wurde mit MF ein Vertrag geschlossen. Im gleichen Jahr begann Eicher in Landau an der Isar ein ganz neues Werk zu errichten. Das Werk Dingolfing wurde an BMW verkauft, bis zur Fertigstellung des Werkes Landau konnte in Dingolfing aber noch weiter produziert werden.

Für die beiden Firmengründer Josef und Albert Eicher war das Jahr 1972 sicherlich eines der bittersten, mussten sie doch die Firmenleitung aus der Hand geben. Im Aufsichtsrat hatten sie dann nur mehr repräsentative Aufgaben. Die Forsterner Belegschaft wollte nicht nach Landau umziehen, die meisten hatten es hier am Ort zu einem kleinen Wohlstand gebracht. Also wurde das Werk Süd an die Fa. Kraus Maffei verkauft. Von dem Verkauf und der schrittweisen Verlagerung nach Landau hatte sich die Belegschaft bis zum Konkurs 1984 auf 38 ehemalige Eichermitarbeiter reduziert. Wenn man bedenkt, dass in den besten Zeiten einmal 800 Beschäftigte bei Eicher in Forstern tätig waren, so ist es in heutiger Zeit fast nicht mehr vorstellbar, dass sich der Personalabbau damals ohne Massenentlassungen und Arbeitslosigkeit vollzogen hat.

Die indische Gesellschaft Eicher Goodearth Ltd. übernahm bis 1982 91,5% der Geschäftsanteile an der Eicher GmbH von Massey Ferguson. Man hoffte, dadurch das Unternehmen retten zu können. Leider waren die Anstrengungen vergebens und 1984 musste der Konkurs beantragt werden. Eine Auffanggesellschaft wurde gegründet, bestehend aus 90 Eicherhändlern und einer Schweizer Finanzgruppe. 1985 wurde dann eine neue Eicher GmbH gegründet, welche die Ersatzteilversorgung sicherstellte. Daneben sollte auch das Standard-Schlepperprogramm einschließlich Schmalspurschlepper weitergeführt werden.

1988 übernahm der Hamburger Reeder Ulrich Harms die Eicher GmbH und wollte das Unternehmen von Grunde auf sanieren. Leider waren die Rahmenbedingungen so schlecht, dass schließlich 1992 das zweite Mal Konkurs angemeldet werden musste.

Ab 1991 wurden bei MFT in Cunewalde (Sachsen) Eicher Schmalspurschlepper gefertigt. Leider ebenfalls nicht auf Dauer, denn 2001 endete auch dort die Schlepperproduktion. Die Anpassung der Motoren an die Euro-Abgasnormen hätte die Finanzkraft der Firma zu sehr strapaziert.

Die Ära Eicher war damit aber nur in Europa zu Ende. In Indien werden nach wie vor Eicher Traktoren gefertigt. Im Jahre 2013 wurden in Mandideep (nähe Bhopal)  46.000 Schlepper und in Alwar (160 km südlich von Delhi) mehr als 100.000 Eicher-Motore gebaut (54.000 für den stationären Einsatz in Notstromaggregaten).

Im Jahre 2012 importierten die Eicherfreunde Forstern 7 fabrikneue Eichertraktoren sowie 4 gebrauchte Schlepper aus indischer Produktion. Am 31.12.2013 bekamen 2 dieser indischen Eichertraktoren den Segen des TÜV und konnten damit dauerhaft in Deutschland zum Straßenverkehr zugelassen werden.

Die Eicherfabrik in Forstern hat auch einen beträchtlichen kulturellen Beitrag zum Gemeinwesen geleistet. Neben dem Werksorchester bildete sich auch der Eicher Werkschor, der weit über die Ortsgrenzen hinaus Anerkennung fand. Das von Emil Pahl gegründete Volksbildungswerk Forstern leistete einen bis heute andauernden wichtigen Beitrag zur Erwachsenenbildung. Auch die örtlichen Sportvereine, vor allem aber der FC Forstern, waren Nutznießer der Eicherfabrik. Immer wieder kamen neue Spieler aus allen Teilen Deutschlands im Rahmen ihrer Beschäftigung bei Eicher zum Verein. Und mancher Funktionär konnte während seiner Arbeitszeit einige Stunden und Maschinen für den FC abzwacken. Überhaupt, der ganze Ort wurde durch die Fabrik geprägt. Neben diversen Dienstleistern profitierten auch die Handwerksbetriebe von der Wirtschaftskraft Eichers. Viele der heutigen Handwerks- und Kleinbetriebe haben ihre Wurzeln in der Traktorenfabrik der Gebrüder Eicher. 

Um den nachfolgenden Generationen den Einfluss und die Bedeutung der Eicherwerke zu vermitteln, gründete sich 1993 der gemeinnützige Verein Eicherfreunde Forstern e.V. Eines der wichtigen Vereinsziele konnte im Jahre 2009 mit der Eröffnung des Eicher-Museums im Ausstellungsraum des ehemaligen Verwaltungsgebäudes verwirklicht werden. Seither wird das Museum ständig erweitert. Zusätzlich findet das Heimatmuseum der Gemeinde Forstern in den Räumen einen neuen Platz.

Finanziert werden die Vereinsaktivitäten und das Eicher-Museum durch die Mitgliedsbeiträge und Spenden. Möchten Sie uns auch unterstützen und einen Beitrag für die Erhaltung des Andenkens an die Eichergeschichte leisten, dann werden Sie Mitglied im Verein oder lassen uns eine Spende -die wir auch steuerrelevant bescheinigen dürfen- zukommen.

Es wäre doch schade, wenn die nachfolgenden Generationen die für die bayerische Industriegeschichte bedeutsame Eicherfabrik in Forstern vergessen würden.