Jean Logothetopoulos - zunächst im Eicher Vertrieb, später Leiter Entwicklung, Konstruktion

Er war im besten Sinne ein Weltbürger, durch dessen Leben sich ein roter Faden zog, der vom Interesse -vielleicht sogar von der Leidenschaft- für die Technik geprägt war. Dabei war er kein stiller, zurückgezogener, weltfremder Spinner - wie Techniker leicht von überzeugten "Nicht-Technikern" kategorisiert werden, sondern ein offener, kommunikativer, charmanter und zuvorkommender Gentleman, der sich fließend in 5 Sprachen unterhalten konnte, egal ob mit Professoren, Landwirten, Künstlern, Unternehmern oder Flugzeugbauern.
In der Landtechnik war Herr Logothetopoulos in den 50 Jahren seiner aktiven Einflussnahme ein angesehener und angenehmer Fachmann, dessen Urteil von Akademikern, Praktikern und Unternehmern gleichwohl geschätzt war

Im Jahre 1914 wurde er in Hamburg geboren. Sein Vater war ein griechischer Kaufmann, seine Mutter war in USA als Kind eines deutsch-französichen Ehepaares geboren worden. So polyglott sein Ursprung war, entwickelte sich auch sein weiteres Leben. 1917 zog die Familie nach Rotterdam und Ende 1923 nach Berlin. Dort ging er auf das Gymnasium, wo er 1933 das Abitur machte. Der Familienname war damals -vielleicht noch mehr als heute- ungewöhnlich, lang und schwierig zu schreiben, deshalb nannten ihn fast alle "Logos" (griech.: Das Wort).
Im Jahre 1933 zog die Familie in die Heimat des Vaters nach Athen. Nach dem Willen des Vaters sollte der Sohn Arzt werden. Diesen zog es aber 1935 zurück nach Berlin, wo er an der Technischen Hochschule Flugzeugbau studierte. Im Jahre 1936 lernte er dort seine spätere Frau kennen, die ihn die folgenden 67 (!) Jahre auf allen Wegen begleitete.

Sein Diplomexamen absolvierte er 1940.
In seiner ersten beruflichen Herausforderung sollte er die Kenntnisse des Flugzeugbaus im Bootsbau einsetzen. Er war bei der Entwicklung der ersten Tragflügelboote beteiligt und wurde schon mit 28 Jahren zum Erprobungsleiter eines Schnellbootkonsortiums in Dessau ernannt.
1943 beantragte er ein Visum für einen wissenschaftlichen Informationsaustausch in Holland, der ihm auch genehmigt wurde. Der wahre Grund seiner Reise war aber nicht der Informationsaustausch, sondern die politischen und wirtschaftlichen Bedenken über die politischen Entwicklungen in Deutschland. In Haarlem konnte er seine Fähigkeiten im Schiffbau der Holland Nautic Werft zur Geltung bringen. Nach Kriegsende verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch den Umbau von Kriegsschiffen und dem Export von Maschinen.
Dass er sich im Export betätigte, lag nahe, sprach er doch inzwischen griechisch, deutsch, holländisch und englisch.

Diese Betätigung brachte ihn auch zum ersten Mal in Kontakt mit der Landtechnik. Die Nachfrage eines südamerikanischen Importeurs nach Traktoren Anfang der fünfziger Jahre führte zwar zu keinem Erfolg, aber im Januar 1953 fuhr Herr Logos nach Forstern. Mit den Brüdern Josef und Albert Eicher vereinbarte er eine Zusammenarbeit, um den Export aufzubauen. Als freier Mitarbeiter schuf er die Kontakte, über die Eicher-Traktoren nach Holland, Griechenland, Frankreich, Indien und viele andere Länder exportiert wurden. Im Jahre 1955 zog er nach München wo er mit seiner Frau bis zu seinem Tode in einer Mansardenwohnung mitten in Schwabing wohnte. Die Zusammenarbeit mit Eicher intensivierte sich und bald war er nur noch für Eicher tätig. Da war es nur folgerichtig dass aus dem freien Mitarbeit im Jahre 1958 ein fest angestellter wurde.
Herr Logos war nicht unbedingt der "Verkäufertyp", wie man ihn sich landläufig vorstellt. Vielleicht lag es daran, aber sicher auch an seinem Interesse für die Technik, dass er vom Vertrieb in die Konstruktion und Entwicklung wechselte. Seine Vertriebskontakte waren da durchaus nützlich, kannte er doch die Beschwerden und Bedürfnisse der Händler und Landwirte.
1960 wurde Herr Logos zum Leiter Entwicklung, Konstruktion und Versuch ernannt.
Unter ihm entstanden die neuen EDK-Motoren, die Raubtierreihe und die Schmalspurschlepper. Die ursprünglich Idee der Schmalspurschlepper stammte allerdings von Josef Eicher. Als dieser nach den ersten Tagen an der polnischen Kriegsfront mit Paratyphus ins Lazarett nach Landau in der Pfalz geschickt wurde, sah er aus seinem Krankenzimmer wie mühsam die Weinbauern ihre Hänge bewirtschafteten. Das ließ in ihm die Idee reifen, einen Schlepper mit weniger als 95 cm Breite zu bauen. Diese Idee wurde von Herrn Logos bestärkt, der durch seine Kontakte in Frankreich die Situation der dortigen Weinbauern kannte. Eicher war der technische Vorreiter bei technisch anspruchsvollen und leistungsstarken, extrem schmalen Schlepper für Sonderkulturen wie Weinbau und Hopfenbau.

Eine technische Idee aus dieser Zeit war auch die Entwicklung eines stufenlosen Antriebs für Schlepper. Im Jahre 1965 lief der erste Serienschlepper mit hydrostatischem Getriebe vom Eicher-Band in Forstern, der so genannte HR-Schlepper. Noch heute laufen viele dieser Exemplare auch im harten Tageseinsatz (z.B. bei Njihof in Holland). Dass dieser Schlepper damals kein wirtschaftlicher Erfolg wurde, lag laut Logos auch daran "dass man der Zeit zu weit voraus war".

Ein Lieblingsthema von Herrn Logos ist zweifellos "Indien". In den fünfziger Jahren bahnte er einen Kontakt mit einem wohlhabenden Großgrundbesitzer, der auch in industrielle Aktivitäten investieren wollte. Mr. Lal senior kam mit seiner Gattin nach Forstern und es wurde zuerst ein Importvertrag geschlossen. Darüber wurden fertig montierte Schlepper von Forstern nach Indien verschifft. Auf Grund eines Importstopps konnten ab 1960 allerdings keine fertigen Schlepper mehr nach Indien exportiert werden. Deshalb baute Mr. Lal mit technischer Unterstützung von Herrn Logos eine eigene Montage in Faridabad südlich von Delhi auf. Dorthin wurden von Forstern die Bauteile geschickt. Anfangs wurden die Schlepper und sogar die Motoren mit primitivsten Mitteln zum Teil im Freien montiert.
Herr Vikram Lal (junior) begann seine Arbeit im väterlichen Unternehmen in den 60er Jahren. Er bereitete sich durch ein Maschinenbaustudium in Karlsruhe und durch die Mitarbeit bei Eicher in Forstern gewissenhaft auf seine spätere Arbeit vor.
Als Vikram Lal dann die Geschäfte übernahm, wurde kräftig investiert und nach und nach eine moderne Fertigung aufgebaut, in der die Eicher-Schlepper in Lizenz gefertigt wurden. Vikram Lal war so etwas wie ein Sohnersatz für das kinderlose Ehepaar Logos. Auch nach seiner aktiven Zeit bei Eicher verbrachte er viel Zeit in Indien und half ihm mit Rat und Tat beim Aufbau des inzwischen großen Konzerns, wo ca. 6.000 Mitarbeiter jährlich bis zu 20.000 Eicher-Goodearth Traktoren, 5.000 Mitsubishi LKWs und 30.000 Royal Enfield Motorräder bauen. Heute gelten die Unternehmen des dortigen Eicher-Konzerns zu den fortschrittlichsten Unternehmen Indiens. Herr Logos verfolgte die Unternehmensentwicklung bis zuletzt mit großem Interesse.

Bei Eicher in Forstern arbeitete man inzwischen an einer neuen Baureihe, als 1968 der Getriebelieferant ZP (Zahnradfabrik Passau) die Fertigung der kleinen und mittleren Getriebe abkündigte. Aus Vorsichtsgründen deckte sich Eicher mit Getrieben für mehrere Monate ein und Herr Logos hatte die Aufgabe einen neuen Getriebelieferanten zu suchen. Die Entwicklung der neuen Baureihe und der immense Kapitalbedarf für die Getriebe führte zu einem hohen Kapitalbedarf, den die Hausbank nicht mehr finanzieren wollte. So wurde aus der Suche nach einem Getriebelieferanten eine Suche nach einem Geschäftspartner. Am Ende dieses Weges stieg Massey-Ferguson bei Eicher ein und übernahm anschließend sämtliche Geschäftsanteile der Brüder Josef und Albert Eicher.
Dass Massey-Ferguson selbst Ende der 70er Jahre in massive finanzielle Schwierigkeiten kommen würde, war damals noch nicht absehbar. Und so zog MF die Firma Eicher GmbH mit in den Strudel.
Die Bemühungen von Herrn Logos führten zur Herauslösung der Eicher-Aktivitäten aus dem MF-Konzern. Vikram Lal übernahm die Geschäftsanteile. Doch finanzielle Restforderungen von MF und die Risikoscheu der Hausbank führten zur bittersten Geschäftserfahrung von Herrn Logos: dem Gang zum Konkursrichter. Herr Logos konnte diese letzte Amtshandlung für Eicher nie ganz überwinden. Für ihn war Eicher nicht nur Arbeitgeber sondern Lebensmittelpunkt.

Nach dieser aktiven Zeit bei Eicher entwickelte er mit den Firmen Schlüter, Hurth und Reimers ein Kettenwandlergetriebe das ab 1994 im Eurotrac eingesetzt wurde. Leider musste er auch bei Schlüter den Niedergang der deutschen Traktorenindustrie miterleben.

Bis zu seinem 81. Lebensjahr war Herr Logos noch bei der LAV (Landmaschinen- und Ackerschleppervereinigung) aktiv. Für seine Verdienste erhielt er die Max-Eyth-Gedenkmünze und die DIN-Ehrennadel.

Auch für die Eicherfreunde Forstern war Herr Logos seit 1996 aktiv. Es war ihm ein Herzensanliegen, das Andenken an die Entwicklungsgeschichte der Firma Gebr. Eicher zu pflegen und den Mitgliedern diese Zeit nahe zu bringen. Anläßlich des Festes der Eicherfreunde auf dem alten Fabrikgelände im Jahre 2001 hielt er einen Vortrag, der die kritischsten Jahre von Eicher beleuchtete. Der Funke sprang über vom Vortragenden auf die Zuhörer und eine ergriffene Betroffenheit machte sich breit.

Am 18.7.2003 verstarb Herr Jean Logothetopoulos im Alter von 88 Jahren in München.

Wir werden Herrn Jean Logothetopoulos als liebenswürdige, bescheidene, fachkompetente und für Eicher äußerst wichtigen Persönlichkeit in Erinnerung behalten und sein Andenken ehren.

Seine letzte Ruhe fand er auf dem Klausbergfriedhof in Kiefersfelden.


Egon Eicher